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Perfekt gestellt

Perfekt gestellt

Meine Schwester kommt zur Tür herein. Beladen mit Einkäufen, frischem Gemüse und Basilikum aus dem Garten. Schon den ganzen Morgen und den gestrigen Tag habe ich mich darauf gefreut. Wir wollen Minipizzen machen, aus selbst gemachtem Teig, ganz verschieden belegt. In kürzester Zeit sieht die Küche aus wie ein Schlachtfeld, die ersten Pizzen mit Auberginen und Rucolapesto sind schon im Ofen. Es duftet herrlich. „Ich baue nur noch schnell das Set auf, du kannst ja schon den Tisch decken“, sage ich zu meiner Schwester und versuche den Blick zu ignorieren, den sie mir zuwirft.

 

Perfekt gestellt oder gestellt perfekt?

Schon zuvor bei „Die müssen aber perfekt werden für die Fotos!“ hat sie die Augen verdreht. Während ich den Papierhintergrund mit Holzmuster auf meiner weißen Fotoplatte ausrolle und sie im Wohnzimmer direkt ans Fenster lege – mittags ist das Licht dort perfekt – murmelt sie irgendwas von „Blogger“, „nervig“ und „immer dasselbe“. Ihr „Hmmmm, gut!“ höre ich gar nicht mehr, ich bin zu sehr damit beschäftigt das Geschirrtuch so zu drapieren dass es aussieht, als würde es zufällig dort liegen. Gewollt ungewollt soll es wirken. Ein paar Blätter Basilikum streue ich daneben. Nein Moment, ein bisschen weiter nach rechts damit. Und nicht alle auf einen Haufen, die sollen ja wie zufällig dort liegen. Messer und Gabel müssen noch dazu. Ich nehme mein Foto-Besteck. Damit essen wir nicht, es wird ausschließlich für Fotos verwendet und verschwindet anschließend wieder in der Foto-Kiste. Jetzt noch die drei Minipizzen auf den Teller. Die eine ist nicht ganz so rund wie der Rest. Ich schiebe sie ganz nach hinten. Wenn ich den Fokus auf die anderen beiden richte, wird man den Makel nicht sehen. Jetzt noch ein Glas mit einem Papierstrohhalm dazu stellen. Der Strohhalm ist nur für das Foto. Trinken kann man damit ohnehin nicht wirklich, viel zu schnell saugt er sich mit der Flüssigkeit voll.

 

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Ich knipse, drapiere, schiebe den Teller zwei Zentimeter nach links und wieder einen Zentimeter nach rechts. Stelle mich auf einen Sessel, um die perfekte Vogelperspektive zu finden. Lege mich auf den Boden, um alles nochmal frontal zu fotografieren und achte natürlich darauf, dass alles so aussieht, als wäre die Platte nicht das, was sie ist, sondern ein großen Esstisch. Rundherum sitzt die Familie. Hände greifen nach Schüsseln, Ketchup tropft auf den Tisch. Niemand ruft „Wisch das weg, das darf nicht mit aufs Foto!“

Nach 15 Minuten bin ich fertig. Meine Schwester übrigens auch. Als ich mich zu ihr an den Tisch setzen möchte, schiebt sie sich gerade das letzte Stück Pizza in den Mund, nimmt ihren Teller und trägt ihn zur Spüle. „Ich mache dann mal den Abwasch“, lässt sie mich wissen. Und ich? Ich sitze alleine am Tisch. Sehe auf meine bereits kalten Minipizzen vor mir und nichts fühlt sich perfekt an. Auch wenn dir später beim Foto auf Instagram das Wasser im Mund zusammenläuft, meine kalten Pizzen schmecken nicht besonders. Außerdem habe ich keinen Basilikum mehr, der musste ja als Deko herhalten.

 

Entspann dich!

Ich bin mir sicher, dass es dem einen oder anderen (Food)-Blogger da draußen schon einmal ähnlich gegangen ist. Inzwischen ist es ja ein Running Gag, dass Blogger gar nicht mehr wissen, wie warmes Essen schmeckt. Und warum? Weil man von Bloggern offensichtlich erwartet, dass sie am Blog oder vor allem auf Instagram das perfekte Leben präsentieren. Oder lass es mich anders ausdrücken: Das perfekte Leben bekommt mehr Likes als das wahre. Mit einem lustigen Kurzfilm möchte IKEA Erwartungen, die unser Leben unnötig kompliziert machen, zur Diskussion stellen. Wie wäre es, wenn wir uns einfach einmal vom Stress verabschieden perfekte Fotos machen zu müssen und einfach Spaß am gemeinsamen Kochen und Essen haben? Weg vom vermeintlich nötigen Weg, hin zu dem, was sich genau in diesem Augenblick richtig anfühlt.

 

Im sogenannten „Life at Home“-Report, den IKEA jährlich in Auftrag gibt, soll herausgefunden werden, wie die Menschen weltweit zu Hause leben. Tausende Menschen werden nach ihrem Leben zu Hause befragt und die Erwartungen erforscht, die ihnen Stress bereiten. Dabei fand ich die folgende Erwartung/Wirklichkeit-Kombination besonders spannend:

 

Erwartung:

Soziale Medien sollen vereinen und inspirieren.

 

Wirklichkeit:

Soziale Medien können das, aber sie können auch unmögliche Maßstäbe setzen und einem das Gefühl der Unfähigkeit vermitteln. Soziale Maßnahmen können – und das ist besonders traurig – auf eine gewisse Art und Weise auch einsam machen. Für 23 % der Befragten ist ein zuverlässiges WLAN zu Hause für soziale Kontakte wichtiger als genügend Platz. 60 % sagen, sie nutzen soziale Medien, wenn sie Ideen zum Thema Essen brauchen. Und 16 % der 18- bis 29-Jährigen essen und trinken, während sie online sind. 15 % der jungen Menschen sagen, sie posten Bilder beim Essen.

 

Iss einfach das unsexy Honigbrot

Was sagt uns das? Vielleicht geht es gar nicht immer darum, das perfekte Essen auf Instagram oder am Blog zu präsentieren. Morgens Heidelbeeren, Chiasamen, Nüsse und Kokosflocken drapieren nur für das perfekte Instagram-Foto, das in 2 Stunden sowieso Schnee von gestern ist? Scheiß drauf. Iss das unsexy Honigbrot, wenn er dir schmeckt. Trink den Kaffee aus der Tasse mit Werbeaufdruck. Stell alles auf den Tisch, auf dem zuvor die Kinder mit Marmeladefingern Spuren hinterlassen habe. Fühl einfach mal, was das mit dir macht. Vielleicht bringt dir das für den Start in den Tag sogar mehr als 600 Herzen auf Instagram. Oder nur 50 und die Frage, warum das Bild nicht so angenommen wird, wie du es dir gewünscht hast. Manchmal ist es nämlich viel, viel befreiender alles andere als perfekt sein zu müssen. Und das gilt vor allem auch für dein Essen.

 

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13 comments

  1. Oh den Post finde ich super von dir !
    Ich hab mir diesbezüglich auch schon ein paar Mal die Gedanken gemacht. Eigentlich ist es ja oft wirklich bescheuert, wenn man den Teller dreht, hin und her schiebt, und so weiter.
    Aber es gibt auch Momente in denen dieses „perfekt gestellte“ trapizieren einfach unfassbar spaß macht !
    Also da gibt es, wie immer, zwei Seiten der Medaille 🙂

    Liebe Grüße,
    Vivi <3
    vanillaholica.com

    1. Ja, da hast du vollkommen recht, mir geht es da genauso. Manchmal habe ich total Lust, mich ewig mit den Fotos zu beschäftigen und auf jedes Detail zu achten. Allerdings ist es wohl nicht besonders schlau, wenn andere Leute auf mich warten oder mit mir gemeinsam essen möchten. 🙂

  2. Wirklich ein super Post, top! 🙂 Gerade bei Food Fotografie wird so viel getrickst, dass ich mich nie heran getraut habe 😀

    Alles Liebe,
    Fee von Floral Fascination

  3. Ein toller Beitrag. Ich mache es nur noch ganz selten, dass ich mein Essen fotografiere und dann ist es etwas was kalt gegessen werden kann. Im Restaurant und Co. gebe ich mir ein paar Versuche für ein Bild. Ist nichts schönes dabei, dann habe ich Pech. Denn es stimmt: Kaltes Essen schmeckt nicht so gut und alleine Essen macht keinen Spaß.

  4. Wunderbar geschrieben und sowas von wahr! Meine Kinder haben sich beschwert, dass ich zu selten mit ihnen gemeinsam esse. Seitdem gibt es eine Extraportion, die „nur fürs Foto“ zur Seite gestellt wird. Wir essen gemeinsam und die Foto-Portion kann warten. Ob diese Portion kalt oder warm ist, ist ja völlig egal! Trocknet etwas ein, dann besprühe ich das Foto-Essen mit Wassernebel oder bestreiche es ganz zart mit Öl.

    So haben alle etwas davon: Meine Leser schöne Fotos, ich esse warmes Essen und meine Familie freut sich über gemeinsames Genießen!

    1. Wow, das klingt ja wirklich sehr professionell. So weit bin ich bisher noch nie gegangen, ich kenne das nur von früher (hatte einen Gastro-Kunden und dort haben wir das Essen auch ständig mit Haarspray oder bestimmten Sprays besprüht, damit es gut aussah für die Fotos). Danach konnte man das natürlich nicht mehr essen und ich fand es tat mir immer leid, dass wir so massenhaft Essen weggeworfen haben. Irgendwie tut einem da das Herz weh. Von einigen Bloggern weiß ich ja auch, dass Essen nur für Fotos gekocht und dann nicht gegessen wird. Sowas kann ich einfach mit meinem Gewissen nicht vereinbaren und würde es auch nie tun. Ich finde die Ressource Essen dafür zu schade, bei uns wird ohnehin schon viel zu viel weggeworfen. Ich finde deine Vorgehensweise aber super. So könnt ihr gemeinsam essen und danach kommen erst die Fotos.

      1. Essen wegzuwerfen ist mir auch ein Graus!!! Mit etwas Öl oder Wasser benebelt sind die Leckereien immer noch gut essbar. Manche Gerichte wärme ich dann halt nachher noch einmal kurz auf oder es wandert einfach so in den Mund. Die Portionen zum Fotografieren sind ja meist „handlich“.
        Probiere das mal aus. LG, Stephie

        1. Ja stimmt, die Foto-Teller sind ja nie überladen. Ich werde das auf jeden Fall das nächste mal auch so probieren, vielen lieben Dank für den Tipp!!

  5. Bei manchen Bloggern, die regelmäßig Rezepte zeigen, frage ich mich ab und zu doch, ob sie nur noch für den Blog backen und kochen – bei den Fotos kann da doch nichts mehr warm genossen werden 😉
    Ich glaube, für Normalmenschen ist dieser Perfektionismus beim Anrichten und Fotografieren dann einfach schwer nachvollziehbar.

    Deine kleine Pizza-Storry klingt da echt nicht allzu erstrebenswert. Das ist auch einer der Gründe, warum ich maximal drei bis vier Fotos pro gelungenem Essen schieße (nicht extra angerichtet und ohne Deko)… es soll schließlich warm und lecker bleiben.

    Den Ikea Report finde ich spannend – davon hatte ich noch nie gehört. Ich versuche mich aber eigentlich schon immer etwas vor den sozialen Medien zu schützen. Daher gibt es kein Facebook, Instgramm, Snapchat oder so, sondern nur ein bisschen Twitter für den Blog (damit spiele ich echt NUR am Laptop rum und das auch nicht viel), Blogs zum lesen (immer nur abends beim Essen, da ich eh keine Gesellschaft zur Verfügung habe) und Whatsapp für den Kontakt zu Freunden und Familie, von denen ich weggezogen bin. Mich engt das so auch nicht ein und ich habe immer im Hinterkopf, dass mein Leben nicht solches „Hochglanz-Essen“ und „Super-Traumreisen“ braucht, wie ich sie auf Blogs sehe. Denn ich bin ja auch so glücklich 🙂

    Den letzten Absatz finde ich daher unschlagbar formuliert!

    Liebe Grüße

    1. Ich glaube, sobald man da mal richtig in dieser Blogger-Schein-Glanz-Welt drin ist, hat man oft das Gefühl, dass es nicht ohne geht. Zumindest ging es mir früher so. Ich habe es schon immer geliebt Fotos zu machen. Und ich habe auch vor meiner Blog Zeit drapiert und dekoriert für tolle Fotos. Nur mit dem Blog ist es noch stärker geworden. Überall bekommt man gesagt, dass alles perfekt sein muss. Aber in letzter Zeit glaube ich einfach nicht mehr immer daran. Absolute Perfektheit wirkt so glatt, so unpersönlich. Und das kann ich auch irgendwie gar nicht schaffen. Daher versuche ich mich immer öfter selbst an der Nase zu nehmen und mir diese Dinge vor Augen zu führen. Ich finde daher super, wie du deinen (Blogger-)Alltag organisierst. Das ist echt durchdacht und vor allem konsequent. Respekt!

  6. Der Blogpost ist wirklich toll geschrieben und du hast auf jeden Fall Recht!
    Oft verbringt man echt viel zu viel Zeit damit ein Foto „perfekt“ aussehen zu lassen..

    Und doch muss ich dich fragen: woher ist das tolle Holzpapier?
    Ich war mir total sicher, dass wäre ein klassischer Holzboden. (Tja, so leicht täuscht man sich…)

    Alles Liebe,
    Julia / http://www.fulltimelifeloverblog.com/

    1. Dankeschön! Alle Holzpapiere die ich hier am Blog verwendet habe ich mir selbst gebastelt und bei einer Druckerei drucken lassen.
      Sieht wirklich täuschend echt aus und ist praktischer als den wirklichen Holzboden zu verwenden. 🙂

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